Integrationsprozesse internationaler Hochqualifizierter in nordrhein-westfälischen Städten
Imani, Daniela; Pfaffenbach, Carmella Diana (Thesis advisor); Wiegandt, Claus-Christian (Thesis advisor)
Aachen (2019, 2020)
Doktorarbeit
Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, 2019
Kurzfassung
In Deutschland hat sich in den 2000er-Jahren ein bemerkenswerter Richtungswechsel in der Migrationspolitik vollzogen, der sich unter anderem in einer Liberalisierung der Zuwanderungsmöglichkeiten für Hochqualifizierte aus Drittstaaten äußert. Inwieweit allerdings eine Integration dieser Zuwanderer und somit eine möglichst langfristige Bindung gelingen, wurde in Deutschland lange Zeit nicht thematisiert. Hier setzten die zwei von der DFG geförderten Forschungsprojekte zur Integration ausländischer Hochqualifizierter an, die die Grundlage dieser Dissertation darstellen. In den Projekten wurde untersucht, wie die Integrationsprozesse hochqualifizierter Migranten in verschiedenen räumlichen Kontexten in Nordrhein-Westfalen verlaufen. Hierbei standen ausgewählte Berufsgruppen im Mittelpunkt, die zur "kreativen Klasse" gehören und somit im globalen Wettbewerb um Humankapital eine wichtige Rolle einnehmen. Während die erste Studie die Integrationsprozesse internationaler Wissenschaftler in Aachen, Bonn und Köln untersuchte, standen im zweiten Projekt die Integrationsprozesse von ausländischen Managern, Kulturschaffenden und begleitenden Partnern in Bonn, Düsseldorf, Essen und Köln im Vordergrund. Ziel der Projekte war es, den Integrationsprozess sowohl aus Perspektive der Migranten als auch aus Perspektive zentraler lokaler Akteure, die die Rahmenbedingungen des Einlebens strukturieren, zu beleuchten. Die Ergebnisse der beiden Forschungsprojekte zeigen, dass die Integration internationaler Hochqualifizierter in ihr neues berufliches Umfeld sowie den neuen lokalen Kontext grundsätzlich gelingt. Dieses Einleben erfolgt, je nach persönlichen und lokalen Rahmenbedingungen, in unterschiedlicher Intensität. Als wichtige Anzeichen hierfür können die Zufriedenheit mit der beruflichen Situation sowie der Aufbau neuer sozialer Netzwerke gewertet werden. Allerdings zeigen die Ergebnisse auch, dass der Aufbau neuer lokaler Beziehungen insbesondere zu multinationalen und ethnischen Communities gelingt. Dies unterstreicht die zentrale Bedeutung von Angehörigen der Aufnahmegesellschaft mit Zuwanderungsgeschichte für die Integration von Neuzuwanderern. Der Aufbau sozialer Kontakte zu Deutschen wird als überwiegend schwierig bewertet, sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext. Dies ist, neben sprachlichen Schwierigkeiten und begrenzten zeitlichen Ressourcen, auch auf Vorbehalte gegenüber Zuwanderern zurückzuführen. Internationale Hochqualifizierte und ihre begleitenden Familien erleben sowohl im Arbeitskontext als auch im Umgang mit Behörden und im privaten Umfeld nach wie vor Diskriminierung und Exklusionen aufgrund ihres Zuwanderungsstatus. Diese negativen Erfahrungen können die Bereitschaft ggf. länger in Deutschland zu leben und zu arbeiten, deutlich reduzieren. Dies unterstreicht die Notwendigkeit seitens zentraler öffentlicher Akteure wie beispielsweise der Bundes- und Kommunalpolitik oder auch Arbeitgebern, stärker als bisher für einen wertschätzenden Umgang mit Migration und den sich daraus ergebenden Herausforderungen und Chancen einzutreten. Denn die Etablierung und die gesamtgesellschaftliche Verankerung einer Willkommenskultur gegenüber (hochqualifizierten) Zuwanderern gilt neben der Modifikation rechtlicher Rahmenbedingungen als zentrale Voraussetzung, um hochqualifizierte internationale Arbeitskräfte anzuziehen und möglichst dauerhaft zu binden. Hier wurden in den letzten Jahren seitens der Bundesregierung, seitens zahlreicher Kommunen und international ausgerichteter Arbeitgeber Maßnahmen entwickelt, die die Zuwanderung und das Einleben internationaler hochqualifizierter Zuwanderer erleichtern sollen. Allerdings sind diese Maßnahmen selektiv auf spezifische Berufsgruppen zugeschnitten. Die Willkommenskultur richtet sich insbesondere an solche Migranten, denen ein ökonomischer Nutzen zugesprochen wird. Die jeweiligen Zielgruppen und die auf diese Gruppen ausgerichteten Angebote unterscheiden sich von Stadt zu Stadt. Dies unterstreicht die Bedeutung des jeweiligen lokalen Kontextes für die Integrationserfahrungen von (hochqualifizierten) Zuwanderern in Deutschland. Die Ergebnisse machen jedoch deutlich, dass die Ausrichtung einer Willkommenskultur auf ausgewählte Gruppen nicht unproblematisch ist. Denn insbesondere diejenigen, die nicht davon profitieren, wie beispielsweise begleitende Partner, internationale Hochqualifizierte in mittleren Positionen oder Freiberufler, nehmen die Selektivität der Willkommenskultur wahr, bewerten dies aber durchaus kritisch und geben ihre Erfahrungen in globalen sozialen Netzwerken weiter. Dies steht dem Bemühen seitens der Politik und zahlreicher Arbeitgeber, Deutschland als Standort mit einer gelebten Willkommenskultur zu etablieren, entgegen.
Identifikationsnummern
- DOI: 10.18154/RWTH-2020-00593
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2020-00593